Das Projekte Lancair ES und Lancair IV-P

Dank des zuversichtlichen Muts und der Bereitschaft von Flugzeugenthusiasten, die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, bot sich mir die Möglichkeit des Baus zweier Selbstbauflugzeuge.

Die Rumpfform ist bei beiden Maschinen die selbe und dennoch handelt es sich um zwei gänzlich verschiedene Flugzeuge. Die ES ist mit einem starren Dreibeinfahrwerk ausgestattet und hat einen größeren Tragflügel als die IV-P. Die Flügelklappen sind vom Typ Spaltklappen die elektrisch betätigt werden. Als Antrieb haben wir einen Continetal IO-550 mit 280 PS Leistung eingebaut. Dieser Sechszylinder Einspritzmotor treibt einen Vierblatt- Constantspeed- Propeller der Firma Mühlbauer. Die Versorgung mit Kraftstoff erfolgt aus den Integraltanks der beiden Flügel, die zusammen 280 Liter Inhalt haben. Alle Ruder der Hauptsteuerung sind elektrisch trimbar. Die Steuerung im Reiseflug übernimmt ein zweiachsiger Autopilot von S-Tec. Neben den üblichen Instrumenten sind zur Navigation ein COM-NAV Gerät und ein GPS von Garmin eingebaut. Die Überwachung des Motors erfolgt mit großen Digitalinstrumenten der Firma Microvision. Sie erlauben eine sehr genaue Ablesung aller Motorwerte, was besonders bei der Gemischregelung nach der Abgastemperatur hilfreich ist.

Die Bauweise ist ein Schalenbau aus Faserverbundwerkstoff. In weiten Teilen handelt es sich dabei um Glasfaser Prepregwerkstoff mit Kevlarwaben als Stützmaterial zwischen der Innen- und der Außenschicht. Aus Steifigkeitsgründen sind die Querruder aus CFK gefertigt. Der bereits fertig in der Oberschale der Tragflügel eingebaute Holm besteht ebenfalls aus CFK Holmgurten. Leider waren diese Holme so eingebaut, dass die Flügel gegeneinander um fast einen Grad verdreht waren. Mit viel Aufwand konnten wir diesen Mangel beheben und der Pilot des Bausatzherstellers den wir uns für den Erstflug geholt haben war sehr verwundert, dass unsere ES geradeaus fliegt. Die Halbschalen des Höhenleitwerks und der Flügel sind mit Rippen gestützt, die aus GFK-Sandwichplatten ausgeschnitten werden. Sie sind mit Harz/ Mikroballon-Gemisch einzukleben, wobei die Klebefuge beiderseits mit Glasgewebestreifen verstärkt wird. Nachdem alle Teile eingebaut sind wird die zweite Bauteilhälfte an den Stellen an denen sie an die Rippen und Holme stößt mit Plastikklebeband abgedeckt. Die Rippen und Holme erhalten nun einen Auftrag mit Mikroballon-Gemisch und der Flügel bzw., das Leitwerk wird verschlossen. Nach dem Aushärten kann die aufgesetzte Schale wieder entfernt werden, da mit dem Klebeband keine Verbindung stattfindet. Auf diese Art und Weise erhält man eine genau passende Holm- und Rippenhöhe. Um letztlich einen I-förmigen Querschnitt der Rippe herzustellen wird der Vorgang nochmals durchgeführt. Jetzt wird aber auf das Plastikklebeband ein Glasgewebestreifen auflaminiert, der dann auf der Rippe festklebt (Capestrip). Nach weiterer Verstärkung diese Teils mit Gewebestreifen und entsprechender Nacharbeit aller Aussenkanten werden die Halbschalen mit Epoxidkleber (Hysol) verklebt.

Der Rumpf besteht aus einem Rumpfboot und einer Oberschale, ist also horizontal getrennt. Die Spante sind wiederum aus Sandwichplatten auszuschneiden und in die Unterschale einzubauen. Für den Holmtunnel und den Spant der die Torsionskräfte des Flügels aufnimmt sind vorgefertigte Bauteile im Bausatz enthalten. Der fertig eingebaute Holmtunnel ist gleichzeitig der Teil, der die kräftigen Fahrwerksbeschläge, in denen die Hauptfahrwerksbeine stecken, aufnimmt. Die Höhenleitwerksflosse wird mit den Rumpfseitenwänden und einem am Rumpfende befindlichen Spant sowie dem Seitenruderleitholm fix verklebt, ist also nicht demontierbar. Darüber wird die Seitenleitwerksflosse aufgebaut. Nach deren Fertigstellung ist dann bereits das hintere Rumpfende verschlossen.

Die Steuerung beider Lancair's erfolgt mit Sidesticks, die über Schubstangen die Quer- und das Höhenruder betätigen. Die Seitenruder werden mit Seilen, die in an den Rumpfwänden festlaminierten Nylonrohren geführt sind, angesteuert.

Vor dem Motorspant befindet sich der aus Stahlrohr gefertigte Motorträger, an dem auch das Bugfahrwerk aufgehängt ist. Der Rumpf wird durch Festkleben der oberen Rumpfschale verschlossen. In ihrer Mitte befindet sich überkopf ein Tunnel, der als Kabinenbelüftung dient und von einem NACA-Inlet an der Seitenflosse gespeist wird. In dieser Zuführung ist auch ein Ventilator eingebaut, der für ausreichende Belüftung sorgt, solange sich das Flugzeug am Boden befindet.

Die fertig gebaute Lancair ES hat dann eine Leermasse von 938 kg. Die Abflugmasse ist in der Kategorie U 1360 kg und für die Kategorie N könnten es 1570 kg sein. Bei einer Tankkapazität von 75 Gallonen (283 Liter) verbleibt für die Zuladung in U 219 kg und für N 367 kg. Die Startstrecke beträgt für 1360 kg Abflugmasse in NN 313 m. Steigleistung bei vx 85 ktn ist 1570 ft/min und bei vy 105 ktn 1700 ft/min. Die vNE ist 220 ktn und vA 174 ktn. Typische Reiseleistung in 5000 ft ist eine Geschwindigkeit von 160 ktn IAS bei einer Endurance von 5 Std. (4:13 mit Reserve), oder wer es gerne nicht so schnell haben will mit 135 ktn IAS bei einer Flugdauer von 7 Std. (5:55 mit Reserve). TAS und Reichweite kann jeder selbst ausrechnen!


Nun aber zur Lancair IV-P.
Dieses Flugzeug bietet alles was man sich so wünscht und wir sind bereits gierig auf die ersten Erfahrungen. Wenn auch ähnlich gebaut wie die ES ist es um ein Vielfaches aufwendiger. Die strukturellen Bauteile sind in CFK Technologie hergestellt. Der Flügel ist, wie oben bereits erwähnt wurde, kleiner als der Flügel der ES. Um die Landegeschwindigkeit in Grenzen zu halten ist er mit Fowlerklappen ausgestattet. Alfred hat sich auch für eine Ausstattung mit Winglets entschieden, die die Fläche einwenig vergrößern und zudem das Aussehen verfeinern. Das Fahrwerk wird in den Rumpf eingefahren und ist ähnlich dem der Cessna 182 RG. Die Fahrwerksdeckel werden dabei zwangsweise durch die Fahrwerksbeine geöffnet und sind nur während des Aus- und Einfahrens offen. Die Aufhängung des Bugrads ist am Motorträger und es wird nach hinten eingezogen und durch zwei seitliche Aluminiumdeckel verschlossen. Aktiviert wird das System mit einer Hydraulikanlage die auch die Flügelklappen ansteuert. Gesichert ist das System durch eine zwischen den Pilotensitzen positionierte Handpumpe.

Das Flugzeug hat eine Druckkabine die Flughöhen bis FL 280 zulässt. Der Differenzdruck ist mit 5 psi limitiert. Die Drucksteuerung erfolgt über ein Valve, das elektrisch mit Unterstützung der Vakuumpumpe des Motors arbeitet und die gewählte Kabinenhöhe regelt. Die Ausführung der Druckkabine stellt einen erheblichen Mehraufwand beim Bau dar, da viele Klebestellen zwischen den Spanten und der Rumpfwand zusätzlich verschraubt werden müssen. Zudem ist einer entsprechenden Abdichtung der Kabine besonderes Augenmerk zu schenken. Alle durch den Brandspant notwendigen Durchführungen von Bowdenzügen und Schrauben müssen mit Dichtstoff ausgeführt werden. Für die elektrischen Leitungen war es notwendig entsprechende gasdichte Steckverbindungen zu verwenden. Die Schubstangen für die Querruder- und Höhenruderansteuerung sind mit Gummibälgen gegenüber dem Aussendruck abgedichtet. Bei der Höhensteuerungsanlage kommt es bei Druck in der Kabine allerdings zu einem Höhenruderausschlag, weil die Schubstangen durch die sich aufblähenden Faltenbälge nach hinten bewegt werden. Um dieser Bewegung entgegen zu wirken, ist im hinteren Teil des Rumpfes ein ebenfalls aus zwei Faltenbälgen bestehender Kompensator nötig. Ein besonderer Leckerbissen ist die Kabinentüre. Sie wird mit insgesamt acht massiven Stahlhaken in ihrer Position gehalten. Die Dichtung zwischen Türrahmen und dem Türblatt erfolgt durch eine aufblasbare Dichtung. Die Scheiben der IV-P sind gegenüber denen der Lancair ES dicker und die Fensterausschnitte etwas verkleinert, damit sie dem Druck standhalten können.

Als Motor wird wiederum der Continental mit 550 cu.in. verwendet, jedoch in der Ausführung TSIO 550 E mit zwei Turboladern und Intercoolern. Es stehen damit 360 PS Leistung zur Verfügung. Die Luftschraube ist ein Vierblatt Constantspeed Propeller von Mühlbauer, der auch eine Reverse- Funktion hat, sodass man nach dem Aufsetzen zusätzlich bremsen kann. Die beiden Turbos erlauben einen Ladedruck von 38 in.Hg und liefern auch den Druck für die Kabine. Die in ihnen komprimierte Luft wird über je einen Intercooler in den Ansaugkanal des Motors geführt. Für die Heizung der Kabine zweigen vor diesen Kühlern die Heizungsschläuche zum kombinierten Heizungs- Druckvalve ab. Damit die Kabine auch mit kalter Druckluft versorgt werden kann, ist für diese nach den Intercoolern noch ein zusätzlicher Luftkühler nachgeschaltet.

Will man ein Flugzeug mit Druckkabine betreiben, so muss auch dem Versagen der Anlage Rechnung getragen werden und daher ist der Einbau einer Sauerstoffanlage unbedingt notwendig. Zudem haben wir an den Flügeln elektrisch betriebene Speedbrakes um im Fall des Falles mit hoher Sinkrate einen Abstieg machen zu können. Das Flugzeug soll auch IFR betrieben werden, sodass in späterer Folge an den Einbau einer Propellerenteisung und einer elektrischen Enteisung von Flächen und Leitwerk gedacht ist. Für die Enteisung der Pilotenscheibe ist ein Tank für Alkohol bereits eingebaut, der über Düsen auf die Frontscheibe gespritzt wird. Dies soll aber alles nur zur Sicherheit dienen, denn ich persönlich bin der Auffassung, dass man mit einem einmotorigen Flugzeug ohnehin nur ein sehr eingeschränktes IFR fliegen kann, wenn man lange leben will.

Im Inneren des Flugzeugs gibt es dann noch ein ganz feines Instrumentenbrett mit zwei Bildschirmen - EFIS 2000 von Sierra Flight Instruments.. Das kann so allerhand. Alle Daten für die Führung des Flugzeugs sind an einem Bild ablesbar. Üblicherweise am oberen Schirm primär der künstliche Horizont, Heading, Airspeed, Altitude, Vertical Speed, moving Terrain, Flight Path Gates, System Warnings usw. Am zweiten Schirm kann man entweder dasselbe nochmals hineingeben, bzw. die Motorinstrumente oder eines der NAV-Fenster. Da wir auch ein Stormscope eingebaut haben sind dabei auch dessen Daten sichtbar. Die Motordaten können in diesem Fall noch immer vom eigenen Display der Air Data Unit digital abgelesen werden. Das EFIS-System besteht eben aus dieser Air Data Unit, seinem GPS und meinem persönlichen Lieblingsgerät der Kreiselplattform, die gerade mal so groß ist wie drei Zigarettenschachteln. In der Panelmitte ist das Audio Aufschaltgerät mit Marker Beacon Empfänger, ein GPS Garmain 530 mit integriertem NAV-COM, ein COM 2 Gerät, ein DME, ein Autopilot S-TEC 55 und ein Transponder. Der Autopilot hat zusätzlich einen Altitude Preselector/Alerter um sich die Arbeit zu erleichtern.
Bei der Flugerprobung werden wir dann sehen wie sich der ganze Apparat bewährt. Die Reisegeschwindigkeit soll so bei 200 ktn und darüber liegen. Die vNE ist jedenfalls 270 ktn. Die Stalling Speed wird mit 65 ktn angegeben. In Kategorie U ist die Abflugmasse 3200 lbs.


Zusammenfassung:

Beide Flugzeuge zusammen waren ein riesiges Projekt, das wir anfangs nicht abschätzen konnten. Die Qualität der vom Hersteller gelieferten Bauteile ist durchwegs gut, wenngleich in einigen Punkten Passgenauigkeit und Liebe zum Detail fehlen. Die Bauunterlagen können als ausreichend empfunden werden zumal man während des Baus lernt und dann immer irgendeinen Weg findet. Der Bausatz der ES ist jedoch besser dokumentiert als der für die Lancair IV. Im Besonderen hatte ich hinsichtlich einiger Bauausführungen so meine Schwierigkeiten, was vielleicht daran liegen mag, dass ich in "germanischem" Flugzeugbau ausgebildet wurde und die Amerikaner manches lockerer sehen. Gänzlich falsch waren die seinerzeit im Prospekt versprochenen Bauzeiten von 2000 bzw. 3000 Arbeitsstunden. Diese Werte sind auf jedenfalls mit dem Faktor drei zu multiplizieren. Relativ wenig Unterstützung erhält man auf Anfragen beim Hersteller. Zwei Gründe sind hiefür zu nennen. Da ist einmal die unterschiedliche Sprache und ein zweites mal die Tatsache, dass die Firma von Österreich dislociert im fernen Amerika sitzt. Man geht also nicht einfach um die Ecke und fragt nach, oder holt sich einen fehlenden Teil. E-mails kann man ja senden, man muss aber nicht immer welche empfangen.

Um ein Flugzeug fliegen zu dürfen bedarf es auch anderer, den Bau begleitenden Arbeiten. Üblicherweise verlangt die Zulassungsbehörde bevor das Flugzeug in die Luft darf einen Nachweis der Festigkeit für den Flügel, das Leitwerk, das Fahrwerk und die Motorbefestigung. Dies kann durch vereinfachte Belastungsversuche erfolgen. Wenn man weiß, wo die einzelnen Lasten aufzubringen sind, und wie groß sie sein müssen ist das relativ einfach. Mir blieb nichts anderes übrig, als die beiden Flugzeuge durchzurechnen um die erforderlichen Werte zu bekommen.

Kurz vor der Fertigstellung der Lancair IV-P zurückblickend kann ich sagen, dass ich froh bin, wenn alles vorüber ist. Dabei könnte nun leicht der Eindruck entstehen, es wäre alles Mühsal gewesen und man hätte sich ständig gequält. Für einen Bergsteiger ist der Anstieg ja auch mit Anstrengung verbunden und manchmal geht es eben leicht und eben dahin,- dann aber kommt ein Steilstück, das überwunden werden muss. Auf jedem Stück des Weges hat man etwas gelernt, gewinnt den einen oder anderen Ausblick- und irgendwann hat man das Ziel erreicht. Die FAA begründet den Amateurbau ja damit, dass er neben der Freizeitgestaltung auch der "Education" diene.

Ganz zum Schluss: Flugzeuge dieser Art als Einzelgänger zu bauen scheint mir unmöglich. Deshalb sei an dieser Stelle allen am Projekt Beteiligten ein herzliches Danke gesagt. Insbesondere danke ich meinem Mitstreiter Sepp Baumgartner, der ständig an meiner Seite werkelte. Aber auch allen fallweise helfenden Freunden wie Josef Kögl und Ludwig Strohschneider (Elektronik), Rainer Reindl (Engine), Karl Matzinger (Haus- u. Hofdreher), Emanuel Migitsch (Elektronik), Thomas Kovc (Interieur), Daniel Bierbaumer und Gerald Weingrill (als Helfer in der Not), Walter Rund (EDV), sowie den Mitarbeitern der ACG, im Besonderen Andreas Winkler.

Ein Danke gebührt auch meiner Frau und meiner Familie, die stets Verständnis für meine Arbeiten an den Flugzeugen aufbrachten.


Bernhard Rögner, Jul. 2003